Pressefreiheit in der Türkei
Pressefreiheit ist in der Türkei faktisch nicht vorhanden, denn die AKP-Regierung kontrolliert die meisten Medien. Es gibt im Land eine Regulierungsbehörde RTÜK (Oberster Rundfunk- und Fernsehrat), die für die Aufsicht des privaten Rundfunks zuständig ist. Diese Behörde ruft zum Beispiel in Redaktionen an und befiehlt regierungskritische Berichte von Webseiten zu entfernen oder verbietet Fernsehsendern diese zu berichten. Sobald Proteste im Land herrschen, werden Journalisten von Sicherheitskräften gezielt angegriffen. Beispiele waren die Gezi-Proteste 2013 oder vor wenigen Wochen noch die Unterdrückung und Repressionen in den kurdischen Gebieten der Türkei. Ähnliche unzählige Beispiele könnten weiter aufgeführt werden. Welche Berichterstattung und wie die Medien diese zu machen haben, bestimmt die Regierung. Sobald Kritik bei der Berichterstattung ausgeübt oder die Handlungen der Regierung hinterfragt werden, folgen Strafen. Regierungsmitglieder versuchen kritische Webseiten durch strenge Internetgesetze zu blockieren.
Diesbezüglich haben die Vertreter der Tageszeitung Evrensel und des Fernsehsenders Hayatin Sesi aus Deutschland eine Delegationsreise in die Türkei vom 10.07.-13.07.2016 organisiert, um die angebliche Pressefreiheit, von der Erdogan und AKP-Mitglieder immerzu behaupten, sie sei vorhanden, zu überprüfen und um sich ein eigens Bild zu machen. In Absprache mit den Verantwortlichen von Hayatin Sesi und Evrensel, wurde ein entsprechendes Programm für die Delagation erstellt.
An der Delegationsreise haben anerkannte und etablierte deutsche Journalisten teilgenommen: Frank Überall (Deutscher Journalistenverband), Pascal Beucker (taz), Anna Giulia Fink (Der Standard), Duygu Özkan (Die Presse aus Österreich) und Serdar Derventli (Deutschlandsprecher von Hayatın Sesi und Evrensel).
Um die Situation zu beobachten und um sich die Dimension der Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit im Land vorstellen zu können, hat die Delegation oppositionelle und regierungskritische Fernsehsender, Journalisten, Zeitungsherausgeber, Nachrichtenagenturen, Mediengewerkschaften und den Vorstand des Journalistenverbandes der Türkei (TGC) besucht. Getroffen hat sich die Delegation mit den Tageszeitungen Evrensel, Cumuhurriyet, Birgün und Özgür Gündem. Diese und ihre Journalisten wurden in den letzten Jahren mehrmals strafrechtlich verfolgt. Weitere Besuche fanden bei den Fernsehsendern Hayatin Sesi und IMC TV statt. Im Februar haben die türkischen Behörden die Ausstrahlung des regierungskritischen IMC TVs eingestellt. Der Sender berichtete, der Satelliten- und Kabelanbieter Türksat habe IMC auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Ankara aus dem Programm genommen. Seitdem wird der Fernsehsender auf dem Satellit Hot Bird ausgestrahlt.
Außerdem hatte die Delegation bei einem Abendessen die Möglichkeit, sich mit Prof. Dr. Şebnem Korur Fincancı (Präsidentin der Menschenrechtsstiftung der Türkei –TIHV-, Kolumnistin der Tageszeitung Evrensel), Erol Önderoğlu (Türkei-Korrespondenten von Reporter ohne Grenzen – RSF Türkei) und Ahmet Nesin (Schriftsteller) zu treffen. Fincancı, Önderoğlu und Nesin waren am 20. Juni 2016 festgenommen worden. Ihnen wurde vorgeworfen, „Propaganda für eine terroristische Organisation“ betrieben zu haben. Mittlerweile wurden die drei aus der Haft entlassen. Bei diesem Treffen waren außerdem noch Fatih Polat (Chefredakteur von Evrensel) und Ceren Sözeri (Dozentin an der Galatasaray Universität, Fakultät der Kommunikationswissenschaften und stellvertretende Vorsitzende des Vereins zur Entfaltung des Journalismus) anwesend. An dem Abend wurden über die Probleme und Schwierigkeiten gesprochen, mit denen die Journalisten in der Türkei konfrontiert sind.
Frank Überall vom Deutschen Journalistenverband hat, nachdem die Delegationsreise beendet war, am 16. Juli bei einem Interview mit n-tv die Situation folgendermaßen bewertet: „Ich bin über die Situation in der Türkei, bezüglich der Pressefreiheit, allemal überrascht. Der Besuch bei Fernsehsendern, Tageszeitungen, Nachrichtenagenturen und Journalistengewerkschaften haben gezeigt, dass schon eine große Besorgnis bezüglich der Pressefreiheit in der Türkei vorhanden ist. In jeder Redaktion, in der ich war, gab es mindestens einen Journalisten, wenn nicht sogar mehr, die schon im Gefängnis waren oder die, die gerade auf ihren Prozess warten und ins Gefängnis über mehrere Jahre müssen. Den Journalisten wird Terrorpropaganda vorgeworfen, wenn diese über eine pro-kurdische Demonstration berichten und nur abschreiben, was auf den Plakaten stehen, die in aller Öffentlichkeit hochgehalten werden. Schon allein damit kann man einen Verfahren an den Hals bekommen.“