Seit Wochen beschäftigt der kommende NSU-Prozess die breite Öffentlichkeit. Bedauerlich ist, wie Verwaltung und Justiz damit umgehen: Das Münchener Oberlandesgericht besteht auf seine verhärteten und selbstauferlegten Verfahrensregeln. Dieser Umgang mit so einer brisanten Sache, die ohnehin viele Schatten, Ungereimtheiten und einen bitteren Nachgeschmack in sich birgt, macht das Ganze nicht gerade leichter. Es wurde gezielt vertuscht, Akten wurden vernichtet, der Untersuchungsausschuss muss um Informationen regelrecht „kämpfen“, wichtiges Material wird dem Ausschuss vorenthalten. Damit nicht genug, findet dieser Mammutprozess in einem Läusegerichtsaal statt. Mit jedem Tag schwindet die Hoffnung, das Gerichtsverfahren könnte alles aufklären. Wenn man bedenkt, dass die Verhandlungen sich über zwei Jahre hinziehen könnten, lässt nichts Gutes ahnen.
Wie erwartet stürzt sich die türkische Presse mit tatkräftiger Hilfe der türkischen politischen Führung auf dieses gefundene Fressen. Eine weitere willkommene Gelegenheit, sich, als “Schutzpatron der Türken in Deutschland“ aufzuspielen. Unstreitig und berechtigt ist die Kritik, dass großen Teilen der internationalen und insbesondere der türkischen Presse nicht erlaubt wird, den Prozess zu beobachten. Aber so zu tun, als ob sich die ganze Sache aufklären würde, wenn sie dabei wäre, ist doch etwas übertrieben. Vor allem ist es kontraproduktiv, wenn man bedenkt, dass viele bekannte Persönlichkeiten, Politiker usw. sich ebenfalls für die Teilnahme der türkischen Presse einsetzen. Dieser Prozess könnte eine Chance sein, das Konglomerat von Staatsorganen und der faschistischen Organisation NSU zu entschlüsseln. Dass die Morde auf das Konto des sogenannten “Trios” gehen, ist hinlänglich bewiesen. Mehr als die Tathergänge sind die Zusammenhänge und das gesamte Unterstützernetzwerk von Interesse. Nicht wenige Anhaltspunkte gibt es darüber, dass die Taten von staatlichen Behörden zumindest “übersehen”, um nicht zu sagen unterstütz wurden. Die Rolle der V-Leute und wie weit das BKA und die Landeskriminalämter in dieser Sache drin hängen, müssen lückenlos aufgeklärt werden. Der Schutz der Verjährungsfrist sollte hier keine Geltung haben. Die Angehörigen der Opfer und die ganze Öffentlichkeit erwarten Aufklärung und keine weiteren “Pannen” und Verschleierungen. Es ist höchste Zeit, für Transparenz und schonungslose Bestrafung aller, die Dreck am Stecken haben. Das bisschen Vertrauen was noch da ist, sollte nicht verspielt werden.