Am Abend und in der Nacht von Samstag auf Sonntag griff die Polizei erneut die Proteste auf dem Taksimplatz an. Mit einem martialischen Aufgebot ging die Polizei seit mehreren Stunden gegen die Demonstranten vor. Aus Solidarität finden mittlerweile in sehr vielen Städten in der Türkei große Protest- und Solidaritätsaktionen statt. Auch in Deutschland haben sich in vielen Städten spontan mehrere Tausend Menschen zusammengefunden, um ihren Protest zum Ausdruck zu bringen.
Die türkeistämmige Föderation demokratischer Arbeitervereine (DIDF) hatte für dieses Wochenende eine 39-köpfige Delegation aus verschiedenen europäischen Ländern zusammengestellt, die sich zur Zeit immer noch in Istanbul befindet. Die Delegation bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern von europäischen sozialen Bewegungen, Journalisten, Gewerkschaften und verschiedenen Parteien und Verbänden, wurde ebenfalls angegriffen. Wie uns Mitglieder der Delegation mitteilten, war heute Festivalstimmung im Gezi Park, es befanden sich viele Familien mit kleinen Kindern vor Ort, als die Polizeiangriffe anfingen.
Anja Krüger, Journalistin und Teil der Delegation, drückte ihren Eindruck über den brutalen Polizeieinsatz wie folgt aus: „Ich bin entsetzt und empört über diesen Polizeieinsatz. Es ist unglaublich, wie großflächig die Polizei seit mehreren Stunden bereits Tränengas einsetzt. Ich bin mit einigen anderen Vertretern der Delegation in unser Hotel geflüchtet, nichts destotrotz sieht man überall Gaswolken. Die Polizei und Regierung versuchen derzeit ihre Macht zu demonstrieren. Diese Gewalt gegen friedliche Demonstranten ist zu verurteilen!“
Der stellvertretende Landessprecher der LINKEN NRW, Azad Tarhan, ist ebenfalls Teil der Delegation. Er floh mit einer anderen Gruppe in eine Bar in der Nähe des Taksimplatzes. In einem Telefongespräch erklärte er: „Das friedliche Protestcamp am Gezi Park wurde völlig unvermittelt von der Polizei angegriffen. Erst explodierten Schreckschussgranaten über unseren Köpfen, wenige Sekunden später hagelte es Gasbomben. Allein in meinem unmittelbaren Umfeld gingen drei bis vier Gasbomben nieder. Inzwischen ist das gesamte Viertel in eine dichte Gaswolke gehüllt. Es ist ein Zustand wie im Bürgerkrieg.“
Eine dritte Gruppe der Delegation sitzt in einem anderen Hotel fest. Sie berichteten, dass selbst ihr Hotel, in dem neben vielen Zivilisten und Hotelgästen weitere Demonstranten Schutz suchten, direkt mit Gummigeschossen beschossen wird.
„Die Föderation der demokratischen Arbeitervereine verurteilt die brutalen Angriffe auf die Zivilbevölkerung und das absolut friedliche Protestcamp. Es werden mehrere Schwerverletzte gemeldet. Wir rufen alle Demokratinnen und Demokraten in Deutschland auf, sich mit den Protesten in der Türkei zu solidarisieren und schließen uns deren Forderungen an!“ ergänzt die Vorsitzende der DIDF, Özlem Alev Demirel.
Wir setzen uns ein für:
Die Polizeigewalt muss umgehend gestoppt werden! Die verantwortlichen Gouverneure und die Polizeipräsidenten müssen zurücktreten.
Ebenso sind die erneut aufgenommen Beitrittsverhandlungen der EU umgehend zu stoppen, da sie sie die AKP Regierung in ihrer gewalttätigen Politik gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung bestätigen.
Ebenfalls müssen Hilfeleistungen wie die Aufrüstung der türkischen Polizei durch deutsche Firmen eingestellt werden.