Auf Initiative von AStA-Referenten und DIDF-Hochschulgruppen fanden in den letzten Tagen an verschiedenen Hochschulen Diskussionsveranstaltungen über die Situation in der Türkei statt. Nach Aufruf der ASten der Universitäten Duisburg-Essen, Köln, Marburg und Heidelberg und DIDF-Hochschulgruppen in Berlin und Frankfurt diskutierten mehrere Hundert Jugendliche Themen wie die „Kurdenfrage“ und die „Freilassung aller inhaftierten Studierenden in der Türkei“.
Die Themen waren deswegen ausgesucht worden, weil die politischen Entwicklungen in der Türkei auf der einen Seite Solidarität aus Deutschland erfordern und auf der anderen Seite auch
Konflikte in Deutschland hervorbringen, weil viele Studierende mit kurdischem und türkischem Migrationshintergrund an den Universitäten vorhanden sind.
Referent der Diskussionsrunden war Mustafa Umut Yegin aus der Türkei. Yegin ist selber ein Kurde, studiert Lehramt und ist politischer Aktivist und Mitglied des Vorstandes der Partei der Arbeit (EMEP).
Die Initiative gng von türkeistämmigen Jugendlichen aus, weil die Krudenfrage, trotz Tausender Kilometer entfernt, doch noch auch nach Deutschland ihren Schatten wirft. Verursacht wird das nicht zuletzt dadurch, dass Türkeistämmige türkische Medien konsumieren und dort die politische Haltung der Regierenden in der Türkei weitestgehend vertreten wird. Die fortschrittsfeindlichen Nachrichten führen unmittelbar zu zahlreichen Reibungspunkten. Das ist nicht nur ein Schritt gegen das Zusammenleben hier in Deutschland, sondern auch ein Schritt, der zum Nationalismus unter den türkeistämmigen Menschen führt.
Die Forderung „Freilassung aller inhaftierten Studierenden“ ist allein deswegen an den deutschen Hochschulen in den Vordergrund gerückt, weil seit letztem Jahr über 1000 Studenten in der Türkei inhaftiert sind. Ihnen wird vorgeworfen, Propaganda für eine illegale Organisation zu machen. Viele von ihnen sind weder Mitglied einer illegalen Organisation, noch irgendeiner Gruppierung. Die einzige Schuld der inhaftierten Studierenden sind: Für Frieden, demokratische Rechte, Meinungsfreiheit und bessere Bildungschancen zu kämpfen.
„Die Forderungen und das demokratische Recht der kurdischen Bevölkerung sind muttersprachlicher Unterricht und regionale Selbstverwaltung“, erklärt Mustafa Umut Yegin und führt fort: „während auf der einen Seite die türkische Regierung eine “Verständigung” fordert, führt diese auf der anderen Seite eine offene Angriffspolitik durch. Politiker, Studierende, Intellektuelle, Journalisten und breite Teile der kurdischen und auch fortschrittlichen türkischen Oppositionellen werden ins Gefängnis gesteckt. Gleichzeitig werden diese “Friedensbemühungen” der türkischen Öffentlichkeit vorgegaukelt, um mit taktischen Mitteln die kurdische Bewegung zu spalten und zu schwächen. Doch die einzige wahre Forderung von beiden Völkern ist: Frieden!“
Diesbezüglich hat es in Deutschland, vor allem an den Hochschulen, wenige gegeben, die für Aufklärung gesorgt haben. Um der Wahrheit nachzugehen und für Gerechtigkeit und Frieden zu kämpfen, müssen die Tatsachen auf den Tisch gelegt werden. Ein Land, das seine Jugend und kritischen Studenten in die Gefängnisse steckt, ist zum Scheitern verurteilt. Die Repressionen seitens der Regierung gegenüber Studenten sind erschreckend. Die Studentenverdienen in ihrem Kampf um ein menschenwürdiges Leben und kostenlose Bildung eine breite Unterstützung. So wie an den Universitäten Duisburg-Essen, Köln, Marburg und Heidelberg Unterschriften gesammelt wurden, so sollten alle Menschen die Studierenden in der Türkei bei ihrem Kampf unterstützen. Die Unterschriftenkampagne läuft weiter. Um sich mit den Studierenden zu solidarisieren, kann man die Unterschriftenkampagne auf der Homepage www.didf-jugend.de herunterladen.
„Die Türkei redet von Frieden führt Krieg“
Cigdem Ronaesin
Umut Yegin vom Vorstand der EMEP (Partei der Arbeit in der Türkei), besuchte verschiedene Universitäten in Deutschland und diskutierte mit Studierenden über die Studentenbewegung in der Türkei und über die Kurdenfrage. Wir wollten mehr über seine Erfahrungen und Eindrücke von den Veranstaltungen erfahren.
Du hast die Möglichkeit gehabt, mit zahlreichen Studierenden zu diskutieren. Was hast du für Eindrücke? Was hat dich am meisten geprägt?
Ich habe gemerkt, dass alles, was in der Türkei erlebt wird, genauso hier hin transportiert wird. Deshalb war das Interesse seitens der türkeistämmigen Jugendlichen sehr hoch. In der Türkei gibt es eine Entwicklung in Bezug auf die Friedenspolitik. Es ist daher sehr wichtig gewesen, dass wir diese Veranstaltungen gemacht haben. Deutschland ist ein wichtiger imperialistischer Partner der Türkei, was Kriege und die Militarisierung des Landes im Inneren und nach Außen betrifft. Hier einen Druck aufzubauen und sich von hier zu solidarisieren, wird sehr wichtig sein. Was mir aufgefallen ist, war, dass das Interesse besonders bei der Kurdenfrage sehr groß war. Diese Veranstaltungen haben auch mehr Studenten besucht.
Was macht ihr als Jugendorganisation eurer Partei in Bezug auf das Thema Kurdenfrage? Habt ihr irgendwelche Kampagnen oder ähnliches?
Wir sind für das Selbstbestimmungsrecht der Kurden und verurteilen die Politik, die seit Jahrhunderten gegenüber Kurden geführt wird. Deshalb sind wir für die Anerkennung der kurdischen Identität und für die Bildung in der Muttersprache. Daneben sind wir für die Anerkennung weiterer Forderungen, die die Kurden haben. Dafür setzen wir uns in allen Bereichen ein, in allen Orten, wo wir auch sind. Wir haben eine Friedenskampagne angefangen, die gegen alle Kriege der Türkei gerichtet ist – sowohl im Inland als auch im Ausland. Mit dieser Kampagne wollen wir erreichen, dass alle Bevölkerungsgruppen in der Türkei gleichberechtigt leben können. Derzeit werden unter der Kampagne Demos, Flashmobs, Seminare, kulturelle Veranstaltungen veranstaltet und diese werden weiterhin organisiert werden. Die Kampagne umfasst sehr viele Bereiche und Methoden.
Was war die Reaktion der Studierenden in Deutschland auf die verhafteten Studierenden in der Türkei?
Nachdem ich die Situation der Bildungspolitik in der Türkei beschrieben habe, haben wir viele Parallelen zum deutschen Bildungssystem hergestellt. Es wurde mehrmals erwähnt, dass auch in Deutschland die neoliberale Politik dazu führt, dass die Wissenschaft immer mehr in den Hintergrund rückt, während die Wirtschaft immer mehr Platz einnimmt. Deshalb können wir auch von Gemeinsamkeiten in unserem Widerstand erkennen. In der Türkei gibt es zahlreiche verhaftete Studierende, die nur in den Gefängnissen sitzen, weil sie für eine kostenlose oder demokratische Bildung gekämpft haben. Auch die Repression in Deutschland soll immer mehr zugenommen haben. Deshalb kam auch mehrmals der Wunsch, gemeinsam vorzugehen und von hier mit verschiedenen Aktionen Druck auf die Türkei aufzubauen. Denn wie wir sehen können, gehen die Repressionen nicht nur von einem Land, sondern von einem System aus. Deshalb müssen wir uns mit allen Jugendlichen und Studierenden gemeinsam tun und gemeinsam kämpfen.