Die politischen Ereignisse in der Türkei entwickeln sich rasant. Mal ist der populistische Ministerpräsident Erdogan mit seinen nicht nur für die Europäer widersprüchlichen Erklärungen und Reaktionen, mal sind es die Bilder über Massaker, Ehrenmorde oder Krieg gegen die Kurden.
Was will die Türkei, oder ist dieses Land überhaupt „Europareif?“ titeln manche Zeitungen. Auch die letzte Erklärung von Erdogan platzte wie ein Bombe: „Angehörige ethnischer Minderheiten sind aus diesem Land vertrieben worden. Haben wir damit etwas gewonnen? Darüber muss man doch mal nachdenken. Das ist eigentlich das Resultat einer faschistoiden Vorgehensweise.“ Nur die Partei der Grauen Wölfe, MHP, hat sich angesprochen gefühlt und auch die „sozialdemokratische“ CHP protestierte: Die Türkei hatte natürlich in ihrer Geschichte sich nichts vorzuwerfen! Kurz zuvor wurde der 1. Mai im Parlament „einstimmig“ zum Tag der Arbeit und Solidarität erklärt. Aber auch dafür gesorgt, dass die Sicherheitskräfte an diesem „Feiertag“ am meisten zu tun hatten! Die stattliche Rundfunk und Fernsehanstalt-TRT hat angefangen mit TRT6 in kurdische Sprache (kurz vor der Kommunalwahl im März) zu senden. Parallel sitzen in den Gefängnissen Menschen ein, weil sie kurdisch gesprochen haben. Nach einem Angriff auf eine Hochzeitfeier in Mardin wurden 44 Menschen massakriert: „Barbarisch, unzivilisierte Kurden, feudale Strukturen…“ wurde bescheinigt. Die Mörder waren aber „Dorfschützen“, eine paramilitärische Mörderbande, die vom Staat mit schweren Waffen und Gehälter gegen die PKK organisiert wurden und diese unzählige Untaten auf ihren Konto haben, wurde aber kaum erwähnt.
Angriffe auf die kämpferische Gewerkschaften und Gewerkschafter, auf die kurdische Parteien, Politiker und deren Presse wurden immer brutale. Der seit über fünfundzwanzig Jahre andauernde Krieg zwischen der Türkei und der Guerillas forderte bisher über 40 000 Opfer auf beiden Seiten.
Presserecht, Menschenrechte, Gewerkschaftsrechte, Frauenrechte, Kinderrechte, Rechte der Minderheiten wurden immer mehr mit den Füßen getreten.
Mitglieder der KESK waren auch unter den Kräften, die sich immer mehr für die Rechte der Beschäftigten und die Rechte der Kurden einsetzten. KESK ist der Dachverband von 11 Gewerkschaften, die im öffentlichen Dienst organisiert sind.
Die letzte Angriffswelle in der Türkei gegen die KESK zeigt erneut, wie notwendig der Widerstand gegen die Repressalien und der Kampf für die Rechte der Arbeiter, Angestellten, Erwerbslosen, Frauen, Kinder, Kurden und generell Minderheiten ist. Gegen die globalen Angriffe des Kapitals muss auch eine Front der internationalen Solidarität „gestrickt“ werden.
In der Türkei finden in allen Städten große Protestaktionen statt. Das heißt auch die Repressalien werden noch unerträgliche. Die türkischsprachige Fernsehsendung HAYAT TV (http://www.hayattv.net/ ) sendet die aktuellsten Ereignisse meist auch Live und kann auch über Internet angeklickt werden.
Die DIDF- Föderation der demokratischen Arbeitervereine ruft zur Solidarität mit KESK auf:
Hier die E-Mail Adresse für die Erklärungen in Europa: didf@didf.de oder KESK in der Türkei:
Kamu Emekçileri Sendikaları Konfederasyonu
Çehre Sokak No:6/1
Gaziosmanpaşa Ankara- Türkiye
Tel: (0090.312) 436 71 11 Faks: (0090.312) 436 74 70
e-Mail: kesk@kesk.org.tr
1.Kare:
Erklärung der KESK
Donnerstag, 28.Mai 2009
Heute Morgen ab ca. 04.00 Uhr wurden in den Städten İzmir, Ankara, Van und Manisa 36 KESK Funktionäre und Mitglieder in Polizeigewahrsam genommen. Unter ihnen sind Frauen-Sekretärin der KESK, Songül MORSÜMBÜL, Frauen-Sekretärin der Eğitim- Sen (GEW)- Gülçin İSBERT, Ex. Generalsekretär von KESK, Abdurrahman DAŞDEMİR, Ex. Frauen-Sekretärin der Eğitim- Sen Elif AKGÜL und viele Funktionäre der Ortsverbände.
Sowohl die Gründe der Polizeigewahrsam als auch die Art und Weise der Durchsuchungen zeigen,
dass die systematische Eskalationspolitik gegenüber unserer Konföderation fortgeführt wird. Während der Durchsuchungen wurden unsere Freundinnen und Freunde wurden angeprangert, beleidigt, vor verurteilt und alles was sie an ihrem Arbeitsplatz und Wohnungen hatten wurde beschlagnahmt. Diese letzte Verhaftungswelle ist faschistoid und zielt im Grunde auf alle demokratische Opposition. Das die Verhaftungswelle kurz nach den 1. Mai Feierlichkeiten stattfindet, ist auch kein Zufall. Kurz nach den ersten Verhaftungen wurde unsere Konföderation geöffnet, eine Presseerklärung gemacht, auf nationale und internationale Ebene Erklärungen wurden abgegeben. In vielen Städten wurden ebenfalls Pressekonferenzen abgehalten, viele Organisationen der Arbeit und Berufsverbände, politische Parteien sowie die demokratischen Massenorganisationen haben sich mit uns solidarisch erklärt. (…)
Folgende Aktionen wurden beschlossen:
1. Am 29. Mai 2009, um 12.30 Uhr in unsere Zentrale eine Pressekonferenz einberufen…
2. Am 29.Mai und 30. Mai werden in allen Städten Massenveranstaltungen wie Fackelzüge, Sitzstreiks, Demonstrationen veranstaltet.
3. Am 30.Mai 2009 um 17.00-20.00 Uhr in Ankara einen Solidaritätspult mit KESK aufgestellt… Hier können dann die Solidaritätserklärungen gemacht werden.
4. Mit Beteiligung der Funktionäre und Rechtsanwälte wird eine Beobachtungskommission der Verhaftungen gebildet.
5. Massenveranstaltungen vor den Justizbehörden wenn Gerichtstermine stattfinden.
6. Ab dem 1. Juni 2009 Pressekonferenzen in allen Städten und vor den großen Betrieben, mit Beteiligung der Werktätigen unter der Motte „Fasst KESK nicht an!“
7. Eine große und regionale Aktion in Izmir mit Beteiligung der Gewerkschaftsplatform.
8. Unser bereits geplanter Marsch am 20. Juni 2009 zum Sitz des Ministerpräsidenten in Ankara wird zu einer großen regionalen Aktion umgewandelt…
Solche Angriffe sind der KESK nicht fremd und wir sind uns bewusst, dass der wahre Grund die Terrorisierung des Kampfes für die Arbeit und Demokratie ist…
(Quelle: http://www.kesk.org.tr/ Übersetzung: Evrensel)
2.Kare:
Erklärung der Emek Partisi (Partei der Arbeit)
Donnerstag, 28.Mai 2009, 10:28h
Wir protestieren gegen die faschistoiden Angriffe auf die KESK aufs Schärfste!
Der Überfall der Polizisten am 28.05.2009 auf die Zentrale von KESK (Konföderation der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst) hat das wahre Gesicht der AKP (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) erneut gezeigt. Die AKP führt ihre Angriffe auf die Arbeiterinnen und Arbeiter und Werktätige, gegen die die für Demokratie und Freiheit ihre Stimme erheben, mit den Beschuldigungen wie Separatismus und Terrorismus fort. Diese in der letzten Zeit sich häufende Angriffe ähneln die von McCarthy-Ära der 50’er Jahre. Auf der Zielscheibe des „Hexenjagd“ befinden sich die Kurden und die demokratischen Kräfte. Der Zeitpunkt dieser Angriffe ist sehr bedenklich: „Zufällig“ nach dem die Gewerkschaften, Berufsverbände, Kräfte der Arbeit und Demokratie sich für einen Dialog in der Kurdenfrage Initiative ergriffen hatten!
Was wird wohl der Ministerpräsident Erdogan, der die Vorgehensweise gegenüber den Minderheiten in der Geschichte des Landes als „faschistoide Methoden“ bezeichnete und der Staatspräsident Abdullah Gül, der „in der Kurdenfrage werden gute Fortschritte geben“ prophezeite
gegen diese Angriffe auf die Gewerkschaften und den Kurden sagen?
Mit dieser Operation gegen die KESK werden sie sich nicht mehr hinter den Begriffen wie „Terror“ und „Separatismus“ verstecken können…
Nach den Politischen Parteien werden jetzt auch die Konföderationen und die Gewerkschaftszentrale richtig dreist überfallen und terrorisiert.
Auch wenn sie sich hinter dem Kampf gegen Terror und Separatismus verstecken, in Wirklichkeit ist es ein Schlag auf die Forderungen für Demokratie und gewerkschaftliche Rechte und Freiheiten.
Jetzt müssen alle, auch die Organisationen der Arbeit, die bisher solche Angriffe tatenlos zugesehen haben, müssen sich erneut fragen. Es ist offensichtlich, dass die Angriffe sich vermehren und auch die kleinste demokratische Rechte im Keim ersticken versuchen werden, wenn man dagegen nichts tut!
Wir glauben, dass voran die grössten Gewerkschaftsbunde wie TÜRK-IS und DISK, sowie alle anderen Berufs und Arbeitsverbände, die Kräfte der Demokratie gegen diese Angriffe die notwendige Reaktion zeigen werden.
Wir protestieren aufs schärfste diese „faschistoide Methoden“ gegen die KESK und der Mitgliedsgewerkschaften!
Sofortige Freilassung aller verhaftete Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter!
Levent TÜZEL
Der Vorsitzende
(Quelle: http://www.emep.org)