Haiti ist seit seiner Gründung sowohl politisch wie geographisch sehr labil. Auf der einen Seite Naturkatastrophen, auf der anderen Seite Invasionen, Unterdrückung und Ausplünderung durch die westlichen Staaten.
Das Erdbeben ist die jüngste und schwerste einer ganzen Reihe von Naturkatastrophen, die Haiti in letzter Zeit heimgesucht haben. Das Land hat sich noch nicht von vier Hurrikanen und Tropenstürmen erholt, die 2008 über das Land hinweggefegt sind. Am 13. Januar erschütterte die haitianische Hauptstadt, Port-au-Prince und Umgebung ein Erdbeben mit einer Stärke auf der Richterskala von 7,0. Mittlerweile hat die Zahl der Opfer die 100.000`er Grenze erreicht und mehrere Zehntausend befinden sich noch unter den Trümmern. Experten schätzen, dass die Zahl der Toten bis 200 000 steigen kann und insgesamt drei Millionen Menschen betroffen sind. Des Weiteren ist bis zu 75 Prozent der Hauptstadt komplett verwüstet. Ein Sprecher der Organisation Ärzte ohne Grenzen berichtet, dass die drei Krankenhäuser der Stadt ebenfalls stark beschädigt und somit unbenutzbar sind. Zudem gibt es keinen Freiraum, um die Leichen abtransportieren zu können. Deshalb werden diese an den Straßenrändern massenweise gestapelt.
Invasion oder Hilfestellung?
Allerdings laufen die Hilfeleistungen sehr schleppend. Die gespendeten Nahrungsmittel und medizinischen Versorgungen aus dem Ausland kommen nicht an, weil Port-au-Prince keinen Hafen besitzt. Die Ärzte befürchten zudem, dass durch die fehlenden medizinischen Versorgungsmittel eine große Epidemie ausbrechen könnte. Den Angaben der Weltgesundheitsorganisation zufolge, besitzt keine haitianische Stadt ein öffentliches Abwassersystem und zudem hat über die Hälfte der Bevölkerung kein Zugang zum Trinkwasser. Deswegen ist ein weiteres großes Problem die Trinkwasserversorgung, denn diese neigt sich dem Ende zu.
Unterdessen wird die Kritik an den USA in ihrem Vorgehen immer lauter. Die USA hat mit tausenden Soldaten den Flughafen der Hauptstadt besetzt und versucht, im Alleingang die Kontrolle über das Land zu übernehmen. Washington wird vorgeworfen, die einzige Landebahn des Flughafens für die Evakuierung von US-Bürgern zu beanspruchen. Während alle anderen westlichen Staaten ihre Unterstützung medial gestalten und dick auftragen, hat Kuba kurz nach der Katastrophe über 400 Ärzte und Spezialisten in die Region geschickt.
Erst der Anfang
Experten befürchten jedoch, dass dies erst der Anfang sei. „Es wird noch wochenlang Nachbeben geben“, sagte David Kerridge, Chef der Abteilung für Geologische Gefahren bei der British Geological Society. „Es könnte leicht zu Erdrutschen kommen, die in abgelegenen Gegenden der Insel möglicherweise viele Opfer kosten.“ Zudem gibt es keine Elektrizität mehr, sodass dringend benötigte Geräte aus der Medizin nicht oder nur spärlich genutzt werden können. Die Ärzte vermuten, dass die Anzahl der Opfer durch den Ausbruch von Epidemien und anderen Infektionskrankheiten noch erheblich steigen wird.
Vorhersehbare Katastrophe
Allerdings wies die UNO schon 2004 darauf hin, dass es zu einer Naturkatastrophe in diesem Gebiet kommen werde. Die massive Abholzung der Wälder machen Haiti besonders anfällig für Schlammlawinen, heißt es in der Erklärung. Der Leiter des Sekretariats, Salvano Briceno, sagte damals: „Haiti kommen viele Risiken zusammen, und irgendwann muss es zum Ausbruch kommen. Das Anwachsen von Risiken in Haiti wurde in einem Ausmaß zugelassen, dass jede Naturkatastrophe zu einem großen Desaster führen muss.“
Haiti, selbst schuld?
Sicherlich sind Naturkatastrophen nicht zu verhindern. Allerdings stellt sich hier die Frage, ob das Ausmaß des Elends nicht hätte verhindert werden können. Plakativ betrachtet, könnte vertreten werden, dass Haiti selbst schuld an diesem Elend sei. Wer kein Abwassersystem, keinen Hafen und nur drei Krankenhäuser hat, darf sich nicht über das Ausmaß wundern. Und tatsächlich wird diese Ansicht in den Massenmedien zu genüge vertreten. Da wird auf die gewaltvolle 200jährige Geschichte des Landes verwiesen, auf die Diktaturen, auf 33 Putsche. Da wird vermutet, dass die Gewalt, die Haiti solange beherrschte, auch nach dem demokratischen Aufbruch 1986/1990 in den Köpfen der Menschen fortexistiere und sich nun angesichts des sozialen Elends Bahn breche. Haiti ist heute eines der ärmsten Länder dieser Erde. Das Bruttoinlandsprodukt betrug im Jahre 2008 lediglich nur 7 Milliarden Dollar. Demzufolge lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung täglich von 2 Euro.
Woher kommt aber diese Armut? Dies vermag Cubas ehemaliger Staatspräsident in einer Presseerklärung über die Ereignisse in Haiti verdeutlichen: „Haiti ist ein reines Produkt des Kolonialismus und des Imperialismus, ein Produkt des Jahrhunderte währenden Missbrauchs seiner Menschen für die härtesten Arbeiten, ein Produkt von Militärinterventionen und der Ausbeutung seiner Reichtümer. Dieses historische Vergessen wäre nicht so schwerwiegend wie die reale Tatsache, dass Haiti eine Schande für unsere Epoche darstellt – in einer Welt, in der die Ausbeutung und Ausplünderung über die immense Mehrheit der Bewohner des Planeten herrscht“. Und tatsächlich ist Haiti ein Ebenbild der Ausbeutung und Plünderung. Mittlerweile haben ausländische Konzerne die Wälder komplett für die Produktion von günstiger Holzkohle abgeholzt.
Die Geburt Haitis
Dabei hatte alles so gut für Haiti angefangen. 1804 wurde dieses Gebiet, welches von den Franzosen unter Napoleon besetzt war, durch die Revolte der Schwarzen von der Sklaverei befreit. Diese Befreiung führte allerdings dazu, dass die westlichen Mächte, insbesondere die USA und Frankreich, ein weltweites Embargo auf Haiti setzten. Frankreich verlangte als Gegenleistung für die Anerkennung der Unabhängigkeit Haitis, Entschädigungen für ehemalige Plantagenbesitzer. Haiti musste nach Schätzungen in heutiger Währung 17 Milliarden an Frankreich zahlen. Amerikanisches Militär hielt das Land von 1915 bis 1935 besetzt und wurde erst nach dem Aufbau einer Armee abgezogen, die das politische Leben im Land für weitere Jahrzehnte in eisernem Griff hielt. Später unterstützte Washington die 30jährige Diktatur der Duvaliers -Papa Doc und Baby Doc -, die Zehntausende Opfer forderte. Die Amerikaner befürchteten, dass die Revolte der Schwarzen auch im eigenen Land ausbrechen könnte. So unterstützten sie jeglichen Putsch in Haiti. Somit auch den Putsch der Duvaliers, deren Diktatur erst nach den Aufständen des Volkes 1986 gestürzt wurde. Washington hat in den letzten zwanzig Jahren zwei Putsche unterstützt und zweimal US-Truppen nach Haiti entsandt. Beide Putsche wurden organisiert, um Jean-Bertrand Aristide, den ersten ohne Washingtons Zustimmung vom Volk gewählten Präsidenten Haitis zu stürzen. Die beiden Putsche von 1991 und 2004 haben zusammen genommen weiteren 13.000 Haitianern das Leben gekostet. Während dieser Zeit schafften es die Amerikaner, allen voran durch die Schuldenfalle des IWF, alle Bodenreichtümer des Landes für sich zu beanspruchen. Innerhalb von kürzester Zeit flohen knapp über 70 Prozent der Landbevölkerung in die Städte, um dort in den Konzernen für Hungerlöhne zu arbeiten. An Haiti wird die Ausbeutungsmaschinerie der westlichen Staaten sehr deutlich: Einmarschieren (unter welchem Vorwand auch immer), abhängig machen (z.B. durch IWF) und ausbeuten.