Worte, die sich in das Gedächtnis einprägen, vor allem wenn man weiß, dass sie die Worte einer Frau sind, die dafür inhaftiert und der Folter ausgesetzt worden ist. Aslı Erdoğan heißt die Journalistin, welche diese Worte bei einem Interview, aus dem Gefängnis heraus, aussprach. Das Interview führte Fatih Polat, der Chefredakteur der Tageszeitung Evrensel, deren Schließung auch kurz bevor steht.
Sowie Aslı Erdoğan geht es vielen Journalisten in der Türkei, die sich für die Vermittlung von Informationen an die Bevölkerung einsetzen. Journalisten hatten es dabei nie wirklich einfach in diesem Land. Insbesondere während der Militärputsche und der Phase der Militärjunta in den 80er Jahren waren Vertreter der Presse stets Ziel von Angriffen staatlicher Repression gewesen.
Die heutige Türkei hat nahezu den Zustand der 80er Jahre erreicht. Schließlich wurden in den letzten Monaten tausende Journalisten und Arbeiter der Medienanstalten entlassen. Seit langem kämpfen sie gegen Anklagen, meist unter der Begründung der „Beleidigung des Staatspräsidenten“ oder der „Unterstützung terroristischer Organisationen“. Dutzende Sender, Zeitungen und Zeitschriften wurden aus ähnlichen Gründen nun seitens der Regierung geschlossen.
Türkei auf Platz 151 von 180
Ebenso wie die Menschen in der Türkei, betrachten auch Journalisten und Menschenrechtsorganisationen die Lage in der Türkei besorgt und kritisieren das Land für seine Politik der Einschüchterung und der Beschneidung von Menschenrechten, wie der Presse- und Meinungsfreiheit.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit, der Organisation „Reporter Ohne Grenzen“, ist die Türkei unter den letzten 30 Ländern. Den 30 Ländern, in denen Presse- und Meinungsfreiheit nichts wert sind und permanenter Unterdrückung ausgesetzt sind. In einer Gesamtwertung ist die Türkei auf Platz 151 von 180 Ländern und auf dieser Liste knapp noch vor dem Kongo, dem Irak und Saudi Arabien.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand, wenn man sich den Alltag im Land anschaut. Neben einem Pool aus regierungsnahen Medien, gibt es viele Agenturen, die kritisch mit der Lebensrealität im Land umgehen und dafür Bestrafungswellen ausgesetzt sind. Während die regierungsnahen Agenturen, meist Tochterfirmen großer Industriebetriebe, noch zusätzlich mit Steuergeldern ausgestattet werden, halten sich die regierungskritischen Anstalten mit wenig Werbung und ausschließlich durch den Verkauf ihrer Zeitungen etc. am Leben.
Diese werden zum einen personell angegriffen, indem ihre Mitarbeiter angezeigt und mit Geldstrafen überschüttet werden. Zum anderen werden sie selbst mit hohen Geldstrafen belegt, müssen sich einer Zensur der staatlichen Regulierungsbehörde aussetzen oder zensieren sich selbst, um sich somit vor Strafzahlungen zu schützen und ihre Arbeit in einem geringen Maße noch weiter machen zu können.
Seit dem Putschversuch wurden 160 Medien und Verlage verboten
Seit einigen Monaten hat sich die Lage nun noch mehr zugespitzt, als sie ohnehin schon gewesen ist. Nach dem Putschversuch und dem darauf folgendem Ausnahmezustand werden nahezu täglich Journalisten verhaftet und in türkische Gefängnisse gesteckt. Direkt nach dem Putschversuch wurden viele Sender und Zeitungen, die der Gülen-Bewegung nahestanden, geschlossen.
Kurze Zeit später jedoch weitete die türkische Regierung die Repression auf fortschrittliche, linke und kurdische Medien aus. Dies nahm seinen Höhepunkt mit der Schließung von einem Dutzend Fernsehsendern, darunter „Hayatin Sesi TV“, „IMC TV“ und ein kurdischer Kindersender. Zuvor war „Özgür Gündem“, eine linke Tageszeitung, seitens der Polizei gestürmt und ihre Mitarbeiter verhaftet worden.
Auch etablierte und bekannte Zeitungen und Journalisten sind vor den Repressionen der türkischen Regierung nicht sicher. So auch eine der ältesten Zeitungen des Landes, die „Cumhuriyet“. Der Auslöser war ein Artikel über die illegale Waffenlieferung durch den türkischen Geheimdienst MIT an den IS in Syrien. Daraufhin wurden der Chefredakteur Can Dündar und der Leiter des Hauptstadtbüros Erdem Gül in Untersuchungshaft genommen. Wie immer war die Begründung „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“. Nachdem Dündar zu einer hohen Geldstrafe verurteilt wurde und einen Attentatsversuch überlebte, reiste er im Sommer ins Exil nach Deutschland. Am 31. Oktober wurden Wohnungen von Journalisten der „Cumhuriyet“ gestürmt und der neue Chefredakteur, Murat Sabuncu, sowie weitere Journalisten inhaftiert.
Keine Publikation scheint mehr sicher zu sein. Am 29. Oktober wurde gemeinsam mit anderen Zeitschriften „Evrensel Kültur“ verboten. „Evrensel Kültur“ ist eine Kulturzeitschrift, die seit 25 Jahren kulturelle Themen behandelt. Damit ist „Evrensel Kültür“, deren Chefredakteur Aydin Cubukcu selbst 19 Jahre für seine politische Überzeugung im Gefängnis saß und dieses Jahr als einer der Hauptredner an der Rosa-Luxemburg-Konferenz teilnahm, die erste Kulturzeitschrift, die geschlossen wurde.
Ein Recht, das verteidigt werden muss!
Die Presse – und Meinungsfreiheit ist eines der elementarsten Menschenrechte, das seitens der Bevölkerungen der einzelnen Länder erkämpft worden ist. Wieder am Beispiel der Türkei zeigt die Geschichte, was alles im Falle einer Aussetzung dieses Rechtes oder sogar nur einer Einschränkung geschehen kann. Die politische Geschichte des Landes zeigt deutlich, dass schwerwiegende politische Einschnitte in das Leben der Bevölkerung immer erst nach einem Angriff auf die freie Presse stattgefunden haben.
Die Presse, besonders jene, die sich der uneingeschränkten Vermittlung von Informationen an die Bevölkerung verschrieben hat und dabei selbst ernsthafte Angriffe in Kauf nimmt, ist ein wichtiges Organ der Demokratie und des Widerstandes gegen die Unterdrückung und ein Mittel der Kommunikation zwischen den Massen und deren politischer Weiterbildung. Eine Bevölkerung, die die Wahrheit nicht kennt und sie nicht vor Augen hat, kann sich auch gegen keine Unterdrückungsmaßnahme wehren oder Widerstand leisten.
In diesem Sinne ist es auch die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft sich für dieses Recht einzusetzen, nicht nur im eigenen Land sondern überall, wo dieses Recht mit Füßen gereten wird.
Sinan Cokdegerli