Noch bevor man überhaupt Zeit hatte den Terror-Skandal des Verfassungsschutzes zu verarbeiten, beginnt nun auch schon eine neue Stigmatisierungswelle gegenüber der in Deutschland lebenden Migranten und vor allem Muslimen. Denn laut der „Schock-Studie“ des Innenministeriums unter dem Titel „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ lehnen rund 20 Prozent der Muslime, die in Deutschland leben, eine Integration ab und sind tendenziell gewaltbereit.
Warnung vor „radikalen Muslimen“
Die Bild Zeitung schrieb bereits einen Tag vor der offiziellen Veröffentlichung der Studie am 1. März 2012 in ihren Schlagzeilen, dass der Innenminister vor „radikalen Muslimen“ warne und die „hohe Gewaltbereitschaft“ junger Muslime erschreckend finde. Der Studie zufolge wollen sich knapp ein Viertel aller jungen Muslime nicht integrieren und werden von den Autoren als Angehörige einer Gruppe der 14 bis 32-Jährigen, die als „streng Religiöse mit starken Abneigungen gegenüber dem Westen, tendenzieller Gewaltakzeptanz und ohne Integrationstendenz“ in Deutschland leben, bezeichnet. Dass aber knapp 78 Prozent der Befragten sich für Integration und ein friedliches Zusammenleben aussprechen, findet in den Schlagzeilen keinen Platz. Wie altbekannt wird wieder eine Propaganda gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund durch einseitige Berichterstattungen und Aussagen seitens des Innenministeriums durchgeführt und versucht, das Zusammenleben in Deutschland mit Axt und Beil zu zerschlagen.
Soziale Hintergründe werden ausgeblendet
Es ist auch bedauerlich, dass als einziger Grund für die Gewaltbereitschaft der Jugendlichen mit Migrationshintergrund die Religion angesehen wird. Die soziale Herkunft dieser Jugendlichen, ihre wirtschaftliche, rechtliche und bildungspolitische Situation wird dabei völlig ausgeblendet. Es liegt mittlerweile auf der Hand, dass Unzufriedenheit schon immer ein guter Nährboden für Gewalt war und ist. Denn mehrmals haben nun unzählige Studien ebenfalls wissenschaftlich erwiesen, dass nicht die Religion oder eine Einwanderungsgeschichte Ursachen für eine Gewaltbereitschaft sind, sondern die Frust über Chancen- und Perspektivlosigkeit. Aber allein schon der Gedanke, einer Religion oder Herkunft Gewalt als Eigenschaft zuzuschreiben, ist inakzeptabel.
Natürlich ist die Zahl derjenigen, die sich als „integrationsunwillig“ und tendenziell zur Gewalt geneigt sehen, nicht einfach unter den Teppich zu kehren. Es ist eine Realität, dass ein bestimmter Teil der Menschen mit Migrationshintergrund sich von der Mehrheitsgesellschaft abgeneigt fühlen. Doch dies zeigt einzig und allein die gescheiterte Integrationspolitik, die nun seit über 50 Jahren geführt wird. Wenn Menschen, die mittlerweile in der dritten Generation in Deutschland leben, sich hier nicht einheimisch fühlen können, kann das nur die Folge einer diskriminierenden Politik sein. Denn anstatt die Ursachen dieser „Integrationsunwilligkeit“ und „Gewaltbereitschaft“ zu bekämpfen, wir hier vielmehr das Zusammenleben angegriffen, indem Muslime als das Feindbild überhaupt dargestellt werden und Jugendliche mit Migrationshintergrund kriminalisiert werden. Auch diese Studie ist einer derjenigen, die auf Miseren hinweist, aber kein Wort darüber verliert, was Regierungen bis jetzt zu dieser Situation beigetragen haben, in dem in ihren Agenden nur soziale Kürzungen, Bildungsklau und prekäre Arbeitsverhältnisse für Jugendliche standen.