Vor drei Jahren nahm das Mammutverfahren um die Taten des NSU-Komplexes mit ernüchternden Urteilen sein Ende. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wurde vom Oberlandesgericht München mit besonderer Schwere der Schuld zu lebenslanger Haft verurteilt. Ralf Wohlleben, der die Waffen besorgte, erhielt wegen Beihilfe zum Mord zehn Jahren Haft und Holger Gerlach wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung drei Jahre Haft. Auch André Eminger erhielt eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren, da er mit seiner Unterstützung die Taten mitunter ermöglichte.
Die Urteile haben die Angeklagten nicht akzeptiert, weshalb eine Revision folgte, die nun vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen wurde und somit die Urteile rechtskräftig sind. Im Fall von André Eminger wird es am 02. Dezember 2021 eine Hauptverhandlung geben, da die Bundesanwaltschaft eine höhere Strafe für ihn fordert.
Auch wenn es auf den ersten Blick wie das Ende des historischen Prozesses wirken mag und als Erfolg in diesem Kontext verbucht wird, sind wir der Meinung, dass dieses Mammutverfahren gescheitert ist und kein Schlussstrich gezogen werden darf. Der NSU-Komplex ist trotz der rechtskräftigen Urteile nach wie vor nicht vollständig aufgeklärt worden, vielmehr bleiben viele Fragen weiterhin unbeantwortet! Es gibt auch fast zehn Jahre nach dem Auffliegen des NSU und drei Jahre nach der Urteilsverkündung keine abgeschlossene Aufarbeitung! Die Hintermänner und die Rolle von deutschen Behörden sind weiterhin unaufgeklärt.
Der Prozess hätte zur Aufklärung der Taten des NSU-Komplexes beitragen können, was seitens der Staatsanwaltschaft und des Gerichts offensichtlich auf wenig Interesse stieß.
Es bleibt nach wie vor ungeklärt, wer hinter dem NSU-Netzwerk steckt, welches sich über Jahrzehnte hinweg im Untergrund aufbauen und Mittel besorgen konnte, um Bombenanschläge auszuführen, Banken zu überfallen und gezielt Migranten zu ermorden. Auch bleibt weiterhin offen, welche Rolle der Verfassungsschutz in dem ganzen Komplex spielt, der kurz nach dem Auffliegen des NSU Akten schredderte und weitere wichtige Akten noch für Jahrzehnte unter Verschluss halten lässt.
Was allerdings klar ist, ist, dass eine große Zahl an Person in diesem rechten Netzwerk wirken, die nicht auf der Anklagebank saßen. Die Kenntnis über diese und viele weitere Informationen ist der Arbeit von vielen zivilgesellschaftlichen Initiativen, Journalisten und parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zu verdanken.
Seit der Urteilsverkündung am 11. Juli 2018 ist die Gefahr des tief verankerten rechten Netzwerkes nicht geringer geworden. Rechte Anschläge wie jene in Kassel, Halle und Hanau sowie die rechten Strukturen innerhalb der Bundeswehr und Polizeibehörden verdeutlichen die Allgegenwärtigkeit rechter Netzwerke, die nach wie vor ungelöst bleiben.
All das zeigt uns, dass der Widerstand notwendiger denn je ist und wir uns darüber im Klaren sein müssen, dass trotz der rechtskräftigen Urteile, diese nicht das Ende des Kampfes um die lückenlose Aufklärung und vor allem nicht das Ende des Kampfes gegen Rassismus und rechten Terror bedeuten darf.
Föderation Demokratischer Arbeitervereine (DIDF)
Bundesvorstand
Köln, 20.08.2021